Beengende Verhältnisse

Eine Schule platzt aus allen Nähten

Das Schulhaus Erlenmatt in Basel scheitert am Versuch auf einer zu kleinen Parzelle das geforderte Raumprogramm unterzubringen.

Nico Mäder

Weitläufige Aussenräume, lichtdurchflutete Schulzimmer, Materialien mit einer Geschichte. Diese Dinge gibt es in der International School in Basel. Nur eine Strasse weiter liegt auf einer Restparzelle das neue Erlenmatt-Schulhaus von Luca Selva Architekten aus Basel. Hier sucht man all das vergebens.

Schon im Wettbewerb wurde klar, dass der Bau kein einfaches Unterfangen werden würde. Eine sich am Rande befindende Restparzelle des ehemaligen Güterbahnhofs der Deutschen Bahn wurde zum Grundstück für das neue Schulhaus. Gerade mal 30 Architekturbüros nahmen am offenen Wettbewerb teil.

Mit einer guten Bildung unserer Kinder legen wir den Grundstein für eine gute Zukunft. Die Schulhäuser machen da einen grossen Beitrag aus. Sie sollten mit derselben Qualität entworfen werden, wie die Lehrpläne, die von den Lehrern in qualitätvollem Unterricht umgesetzt werden. Doch für die Wettbewerbsvorbereitung galt offenbar nicht die Qualität, die man von der Pädagogik erwartet: Ein Schulhaus auf einer Restparzelle zu planen, zeugt nicht gerade davon. Schon vor dem Wettbewerb hätte den Architekten und Spezialisten auffallen müssen, dass ein Schulhaus mit solch einem Raumprogramm auf so einer kleinen Parzelle nicht entstehen sollte. Das gilt auch für die am Wettbewerb teilnehmenden Architekturschaffenden: Ihr Wunsch sollte nicht nur im Gewinnen eines schier nicht lösbaren Wettbewerbs sein, sondern zu langanhaltend zufriedenstellender Architektur führen.

Städtebauliche Engpässe

Durch die lange Planung kamen zum für den Ort ohnehin zu grossen Raumprogramm immer weitere Nutzungen dazu. Die Anzahl der Schulzimmer verdreifachte sich, eine Dreifachturnhalle und ein Kinderhort überluden das schon zum Bersten gefüllte Raumprogramm. Die knappen Platzverhältnisse des Städtebaus ziehen sich durch den ganzen Bau, vom Eingang bis hin zu den klaustrophobisch engen Durchgängen der Schulzimmertüren: Die im Vorprojekt noch papierigen Wände der Schulzimmer sind zu bunkerartigen Dimensionen angeschwollen. Um die Schulzimmer jetzt zu betreten, muss eine Türleibung, die man sonst nur aus alten Burgmauern kennt, durchschritten werden. Die Anforderung eine Schule im Minergie-P-eco Standard zu bauen, liess die Wände aufgehen. Zusätzliche Lüftungen und Leitungen mussten in den Schulzimmerwänden untergebracht werden.

In einem Kranz um die Erschliessung gliedern sich die Schulzimmer an. Dies hat zur Folge das der Erschliessungsraum nur spärlich Licht bekommt. Was dem beklemmenden Gefühl, das einem beim Durchschritten der «Burgmauer» wiederfährt, nicht hilft.

Ein trügerischer Blick

Betreten wird das Schulhaus über eine der Öffnungen in der Lochfassade. Wo genau das Gebäude betreten werden soll, entspricht nicht einer zwingenden Logik. Ein Einschnitt im Erdgeschoss weist auf einen Eingang hin. Dies ist jedoch nur der Zugang zur Turnhalle. Die Schule wollte diesen Einschnitt jedoch nicht als Haupteingang nutzen. Nun betritt man das Schulhaus durch eine der Öffnungen der Lochfassade. Nur das Nichtvorhandensein einer Brüstung unterscheidet den Eingang nun von den im Erdgeschoss liegenden Fenstern. Nach dem Eintreten ins Schulhaus befindet man sich in einer kleinen Eingangshalle. Von hier aus gehen zwei Treppen in unterschiedliche Geschosse. Eine ins Untergeschoss, wo die Dreifachturnhalle liegt eine zweite ins erste Obergeschoss, wo sich die Lehrerzimmer und das Verwaltungsbüro befinden. Ab dem ersten Obergeschoss verläuft rechtwinklig zur ersten Treppe das eigentliche Treppenhaus bis ins fünfte Obergeschoss. Die Geschosse sind alle ähnlich aufgebaut. Immer zwei Schulzimmer teilen sich einen Gruppenraum. Die Grösse der Gruppenräume ist so gewählt, dass sie gegebenenfalls auch als Schulräume genutzt werden können. Da die Haupterschliessung im Kern der Schule nicht als Fluchttreppe gebraucht wird, kann sie auch als Aufenthaltsraum oder gelegentlich als Schulraum genutzt werden. In kleinen Nischen gibt es Garderoben und Bänke für die Schüler. Strassenseitig befindet sich das Fluchttreppenhaus an der Fassade; zum Hof hin besitzt jedes Schulzimmer seinen eigenen kleinen Pausenplatz, der über Metallgitterrost-Treppen mit den anderen und der untersten Ebene verbunden ist und so im Brandfall das Fliehen gewährleistet. Die Schüler haben vom Ausblick, der sich einem im fünften Obergeschoss bietet, jedoch nicht viel. Die Brüstung der Pausenplatz-Terrasse ist wie überall so hoch, dass selbst Erwachsene fast nicht darübersehen können. Zuoberst thront die Aula, die dank grossen Verglasungen den Blick über das Quartier endlich frei gibt.

Die Materialien sind was sie sind
Alle Materialien sind ohne weitere Behandlung verbaut worden. Tragende Wände und Decken sowie die Fassade sind aus Sichtbeton. Ein weisses Pigment, das ihm beigemischt wurde, hellt den Beton ein wenig auf. Auf die nichttragenden Wände wurde ein Jutevlies aufgezogen. Türen und Einbauten in den Schulzimmern sind aus nichtbehandelter Eiche. Die helle Farbe des Holzes verschafft der Atmosphäre in den Räumen eine gewisse Wärme. Die Erschliessungsräume, wo sich die Schüler aufhalten bevor sie die Schulzimmer betreten, wirken jedoch auch mit den hellen Türzargen dunkel und kalt. Die Füllung der Türen und Schränke wurden mit einem aus PET-Flaschen recyceltem Material gemacht. Farblich nähert es sich dem grauen Beton und dem braunen Juteflies an. Wegen der Feuerfestigkeit wurde das recycelte Material an allen erdenklichen Stellenverwendet. In den meist einseitig orientierten Schulzimmern findet man Eichenparkettböden. Dieser mag zuletzt die für Schulzimmer gewünschte warme Atmosphäre herzustellen.

Den grossen Aufwand, mit dem die Architekten die Herausforderungen zu meistern versuchten, sieht man dem gebauten Projekt an. Die Erbfehler die das Schulhaus seit dem Wettbewerb mit sich trägt, konnte es bis zum Schluss nicht loswerden.

 

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